Juli 2020 (Weinheimer Nachrichten) Erwachsenen-Chöre peilen erste Probe nach viereinhalb Monaten an / Sondersitzung in der Rose / Am Anfang sollen einstimmige Lieder stehen
Leutershausen. Eigentlich wollen sie nur singen. Und das tut doch niemandem weh. Dass Singen einmal als gefährliches Hobby gelten könnte, haben die Mitglieder der Sängereinheit 1846 nicht für möglich gehalten. Doch in Zeiten der Corona-Pandemie gilt das Singen in einem Chor als weitaus riskanter als Motorradfahren oder Fallschirmspringen. Seit viereinhalb Monaten haben sich die Leutershausener Sänger deshalb nicht mehr zur Probe getroffen. Doch nun gibt es ein Licht am Ende des Tunnels.
Kein Singen mit Mundschutz
Während Sportler schon seit Wochen – unter speziellen Auflagen – wieder trainieren dürfen, liegt Deutschlands Chorleben noch immer weitestgehend brach. Die letzte Singstunde in der Vereinsgaststätte „Zu Rose“ hat im Februar stattgefunden. Inzwischen ist sogar Kontaktsport wieder möglich, auch die Sänger drängen daher bundesweit auf einen Wiedereinstieg. „Die Gesundheit unserer Mitglieder steht aber bei allen Entscheidungen im Vordergrund“, betonte Sängereinheits-Vorsitzender Michael Lang bei einer Sondersitzung seines Vereins am Freitagabend. Deshalb hat der Verein eine Wiederaufnahme unter den bisherigen Auflagen – etwa das Tragen eines Mundschutzes beim Singen – abgelehnt.
Ein Beispiel aus Berlin gab den Verantwortlichen recht. Dort hatte ein einzelner Infizierter bei einer Chorprobe 60 seiner Kollegen angesteckt. „Wir üben im Jahr 2020 ein gefährliches Hobby aus“, erklärte der Vorsitzende. Wird beim Singen die Atemwolke mit den virusübertragenden Aerosolen bis zu sechs Meter weit gestreut – beim Sprechen sind es ein bis zwei Meter -, braucht jeder Sänger mindestens vier bis sieben Quadratmeter Platz. „Besser noch zwei bis drei Meter zu allen Seiten“, so Lang.
Das stellt die Verantwortlichen vor besondere Herausforderungen, da kaum ein Vereinsraum diese Größenordnung hergibt. Auch die Nutzung einer Schulaula sei aktuell nicht umsetzbar, weil diese dann explizit nur von den Sängern genutzt werden dürfte. Dennoch will die Sängereinheit nach monatelanger Pause nun wieder mit dem gemeinsamen Singen beginnen. Schließlich leide die Gemeinschaft immer stärker. Für die Mitglieder, das machte die Sitzung deutlich, ersetzt etwa das Singen zuhause keine Chorprobe. Vielmehr ist auch das soziale Leben vieler Mitglieder stark im Verein verankert. Der Vereinssaal im Gasthaus „Zu Rose“ ist allerdings zu klein, um mit entsprechendem Abstand zu proben. Den Vorschlag, dort nun stimmweise, im Abstand von 25 Minuten mit jeweils weniger Personen zu üben, verwarf die Versammlung schnell. „Das ist aus unserer Sicht zu riskant“, sagte Michael Lang. Stattdessen wollen sich die Sänger zu einer ersten Probe in einer größeren Halle treffen, deren Raumhöhe mindestens 3,50 Meter ist.
„Diese Möglichkeit besteht etwa bei unserem Mitglied Werner Volk“, erklärte Lang, der den genauen Termin aber noch bekannt geben möchte. Daneben stimmte die Versammlung auch für gemeinschaftliches Singen mit Abstand deutlich leichter umsetzbar und auch sicherer. „Im Freien leidet aber wegen fehlender Reflektionsflächen und dem großen Abstand enorm die Klangqualität“, erläuterten Chorleiter Thomas Reiß und Jugendchorleiter Meinhard Wind. Beide haben solche Erfahrungen bereits mit anderen Chören gemacht. Doch um die reine Gesangsqualität geht es der Sängereinheit ohnehin erst einmal nicht. „Hauptsache singen!“, brachte es ein Mitglied auf den Punkt.
Sowohl Vorstand als auch Mitglieder waren sich einig. Wir wollen zeigen, dass wir noch leben. Wollen uns wiedersehen und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Darum geht es doch“, resümierte Michael Lang. Dafür wollen sie dann auf einstimmige Lieder zurückgreifen – auch wenn nicht jeder Einsatz passt. Vom Anspruch der chorischen Probearbeit“ müsste man sich erst einmal etwas lösen.
Vorstellen kann sich der Verein Auftritte im Skulpturengarten oder an der Markthalle. Darüber hinaus soll eine Maßnahme aus der Lockdown-Zeit beibehalten werden. Über das Internet und CDs hatten die Chorleiter ihren Schützlingen Aufgaben für zuhause gestellt. Auf ähnlichem Weg ist auch ein Multi-Screen-Video mit dem Jugendchor entstanden, das auf der Videoplattform „Youtube“ veröffentlicht wurde. „Das kann zwar Chorproben nicht ersetzen, aber ergänzen“, fand Lang. Ferner wollen sich die Mitglieder wieder vermehrt zu Stammtischen oder Ausflügen im Freien treffen. ksm
Sondersitzung der Sängereinheit im „Rose“-Sal: künftig soll im Freien oder in einer Halle gesungen werden. BILD: PHILIPP REIMER