Juni 2020 (Weinheimer Nachrichten) Schwere Zeiten für die traditionellen Laienchöre an der Bergstraße / Deutliche Kritik am vorliegenden Hygienekonzept zur Wiederaufnahme des Singstundenbetriebs
Hemsbach/Laudenbach. Es herrscht Stille in den Probenräumen der Sänger. Ende Februar oder Anfang März trafen sich die Chöre zum vorerst letzten Mal. Wann es ein Wiedersehen geben wird, steht in den Sternen. Durch die hohe Infektionsgefahr beim gemeinsamen Singen werden die Chöre in Zeiten der Virus-Pandemie eine der letzten Gruppen sein, die irgendwann wieder zur gewohnten Normalität zurückkehren können.
Zwar gibt es ein Hygienekonzept, das auch vom Badischen Chorverband empfohlen wird (siehe Infobox), doch bei den Gesangvereinen von der Bergstraße ist die Meinung dazu einstimmig: „Nicht umsetzbar“, sagen die Vorsitzenden Karl Engelsdorfer vom MGV 1867 Liederkranz Hemsbach und Petra Baumann vom Gospelchor des GV Germania 1889 Hemsbach sowie Karlheinz Bangert, Ehrenvorsitzender des Singvereins 1870 Laudenbach. Letzterer hält mit seiner Kritik nicht hinter dem Berg. „Die Vorgaben im Hygienekonzept sind ein dicker Hund. Da sieht man, wie realitätsfern der Badische Chorverband in Karlsruhe ist“, sagt Bangert. „Unter diesen Voraussetzungen kann kein Chor mit den Proben beginnen. Das lassen auch die Räumlichkeiten in unserem Sängerheim gar nicht zu.“
Ohnehin ist der Singverein Laudenbach vom Zeitpunkt der Corona-Krise besonders hart betroffen. In diesem Jahr feiert der Verein eigentlich sein 150-jähriges Bestehen. Der zu diesem Anlass geplante Kreissängertag im Ort sowie das ursprünglich am 16. Mai vorgesehene Jubiläumskonzert mussten bereits abgesagt werden. Die Termine für den Liederabend am 17. Oktober und das Freundschaftssingen am 18. Oktober stehen im Moment noch, sagt Bangert mit der Betonung auf „noch“. Gleiches gelte für
das am vierten Advent geplante Weihnachtskonzert. „In die kurzfristige Zukunft zu planen, ist derzeit sehr schwer. Neben unserem Jubiläumskonzert könnte in diesem Jahr auch die Kerwe ausfallen. Die Einnahmen aus der Kerwe brauchen wir, um über die Runden zu kommen, sonst müssen wir von der Substanz leben“, sagt Bangert.
Schließlich bezahle der Singverein auch seine beiden Dirigenten für den 50 Sänger zählenden Männerchor und den rund 20 Sängerinnen umfassenden Frauenchor weiter. „Wir haben uns auf eine Art Gutschriftkonto mit den Chorleitern verständigt“, sagt Bangert. „Die jetzt verlorenen Chorproben sollen zu einem späteren Zeitpunkt in irgendeiner Form nachgeholt werden.“
Hoffnung auf den Herbst
Auch beim Liederkranz Hemsbach stellt man sich auf einen „harten Gang“ ein, bis wieder richtige Singstunden stattfinden können, sagt Karl Engelsdorfer. „Ich habe mich innerlich darauf vorbereitet, dass entscheidende Lockerungen für die Gesangvereine wohl erst im September kommen werden und wir im Herbst vielleicht wieder normale Chorproben ansetzen können.“ Von „virtuellen Singstunden“ hält Engelsdorfer nichts. „Wir haben viele ältere Sänger, die darauf nicht eingestellt sind. Unsere Chorleiterin hat uns zwar zehn Lieder in den einzelnen Stimmen aufgenommen und zugeschickt. Aber nur 13 unserer 28 aktiven Sänger können das auch empfangen.“ Zwar dürften sich im Proberaum im Kellergeschoss unter dem katholischen St-LaurentiusÂKindergarten bei Einhaltung der Abstandsregeln bis zu 20 Sänger einfinden. Aber auch dafür ist Engelsdorfer das Risiko zu groß, dass nicht sämtliche Vorgaben des Hygienekonzepts eingehalten werden. „Die namentliche Erfassung der einzelnen Sänger geht ja noch, aber zum Beispiel darf sich kein Sänger vor, während oder nach der Probe auf einen anderen Platz setzen.“
„Alles liegt auf Eis“
Zu klein für den rund 50 Sängerinnen zählenden Frauenchor ist auch der Probenraum des Gospelchors Hemsbach im Luthersaal des evangelischen Gemeindehauses. „Wir müssten mit unseren Singstunden in die Kirche ausweichen, aber wir wissen nicht ob der Kirchenrat diese überhaupt freigeben würde“, sagt Petra Baumann. „Daher liegt jetzt alles auf Eis.“ Auch der Gospelchor muss die Absage von zwei geplanten Konzerten Ende Juli, verbunden mit dem zehnjährigen Dirigentenjubiläum von Peny Bauer, sowie von mehreren Hochzeiten und Konfirmationsfeiern verkraften, wofür der Chor schon gebucht worden war. Petra Baumann sieht ebenfalls keine Chance, vor Herbst mit den Proben zu beginnen. „Im Moment wollen wir das auch gar nicht, das Risiko ist uns einfach zu hoch. “ bk
Auszüge aus der Mustervorlage eines Hygienekonzeps, das auch von Badischen Chorverband empfohlen wird
- Ein Hygienekonzept muss der kommunalen Gesundheitsbehörde vorliegen und von dieser bestätigt und genehmigt werden. Der Verein trägt die Verantwortung für die Sicherstellung der hygienischen Erfordernisse durch Anleitung und Kontrolle. Es ist mindestens ein Hygieneverantwortlicher zu bestimmen, der auf die korrekte Durchführung vor, während und nach der Probe achtet. An den Eingängen und in den sanitären Anlagen sind Hinweisschilder zu den Hygienestandards anzubringen.
- Maßnahmen Handhygiene: Vor der Probe Hände gründlich mit Wasser und Seife waschen, alternativ muss eine Händedesinfektion stattfinden, zum Abtrocknen Einmalhandtücher bereitstellen.
- In jeder Probe oder Zusammenkunft werden die Namen (Adresse, Telefon, E-Mail) und die Sitzposition aller Anwesenden protokolliert, um gegebenenfalls spätere Infektionsketten nachzuverfolgen.
- Alle Beteiligten müssen eine Mund-Nasen-Bedeckung mitbringen, die in (längeren) Singpausen sowie vor und nach der Probe zu tragen ist. Auf sachgerechten Umgang muss vom Verein hingewiesen werden.
- Abstandsregeln: Mindestabstand von 1,50 bis 2 Metern zu allen Personen ist sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien zu beachten. Gegebenenfalls sollen durchsichtige Trennwände aufgestellt werden. Markierungen auf dem Boden oder an den Wänden geben Laufwege vor, um Kontakt auch in engen Fluren und in sanitären Anlagen zu vermeiden. Gegebenenfalls sind mehrere Zugangs- und Ausgangsbereiche bei mehreren Gruppen zu bestimmen.
- Raumgröße: Die Räumlichkeiten müssen groß genug sein, damit die Abstandsregeln eingehalten werden können (Anhaltspunkt: pro Person circa fünf Quadratmeter).
- Lüftung: Alle 30 bis 45 Minuten sollte für fünf Minuten eine intensive Stoß- oder Querlüftung erfolgen. Bei einer Deckenhöhe unter 3,50 Meter sollte häufiger gelüftet werden.
- Reinigung: Die benutzten Räumlichkeiten sollten mindestens einmal täglich gereinigt werden. Bei der Reinigung sind tensidhaltige, fettlösende Mittel zu verwenden und Reinigungshandschuhe zu tragen.
- Umgang mit Risikogruppen: Zur Risikogruppe zählen Personen mit Grunderkrankungen und/oder einem hohen Alter (ab 50 Jahren). Diese sind besonders zu schützen.
- Umgang mit Instrumenten und Noten: Alle Gegenstände sind personenbezogen zu verwenden. Wenn dies nicht möglich ist, muss eine gründliche Reinigung nach der Nutzung erfolgen.
Eine lange Zeit wird wohl noch vergehen, ehe sich die Chöre wieder zu Proben treffen können, die für Laien-Ensembles auch eine sinnvolle Gestaltung ermöglichen. ARCHIVBILD: MARCO SCHILLING