November 2021 (Weinheimer Nachrichten) Volkstrauertag: Gedenkfeiern mit Kranzniederlegungen und Musikbeiträgen setzten in Hemsbach und Laudenbach ein Zeichen gegen Krieg und Gewalt / Versöhnung und Verständigung im Mittelpunkt
Hemsbach/Laudenbach. 76 Jahre liegen die Schrecken des Zweiten Weltkriegs zurück. 76 Jahre fiel keine Bombe mehr auf deutsche Städte. Mehrere Generationen sind hierzulande inzwischen von direkten kriegerischen Auseinandersetzungen verschont geblieben. Damit rückt vermeintlich auch das Gedenken an Kriegstote immer weiter in die Ferne.
Zwei Erinnerungsfeiern in Hembach und Laudenbach haben nun ein gemeinsames Zeichen gesetzt: dass die Zeit der Kriege und Toten nicht vorbei ist – und – dass die Erinnerung heute vielleicht wichtiger denn je sei. „Es vergeht kein Tag, an dem nicht in irgendeinem Land oder Kontinent geschossen, gebombt und getötet wird“, mahnte Laudenbachs Bürgermeister Benjamin Köpfle an der Gedenkstätte vorm Rathaus. Hemsbachs Bürgermeister Jürgen Kirchner schlug beim Volkstrauertag auf dem Hemsbacher Friedhof ähnliche Töne an. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir in unserem Land seit Jahrzehnten kein Kriegsgeschehen mehr erleben mussten“, so der Hemsbacher Verwaltungschef, „aber nein, die Welt ist nicht frei von Krieg. Wir leben leider nicht in einer friedvollen Zeit. „Gerade weil jüngere Menschen immer mehr den Bezug zum Volkstrauertag verlören, sei es umso wichtiger, damit ein Zeichen zu setzen.
Auch deshalb hatte die „Stadt Hemsbach. wohl im Vorfeld entschieden, statt des „stillen Gedenkens“ im Vorjahr nun trotz der anhaltenden Pandemie wieder eine öffentliche Gedenkfeier zu veranstalten. Das geistliche Wort sprach in Hemsbach Ernst Hertinger, musikalisch umrahmten die Beiträge des Männergesangvereins Liederkranz und des Posaunenchors die feierliche Veranstaltung. Traditionell begleiteten auch Ehrenamtliche der Freiwilligen Feuerwehr und des Deutschen Roten Kreuzes mit einem kurzen Trauermarsch über den Friedhof die Gedenkfeier.
In Laudenbach begleitete der Singverein 1870 die Feier mit zwei Liedbeiträgen, der Posaunenchor eröffnete und beendete dort den Volkstrauertag. Der Tag, betonten Kirchner und Amtskollege Köpfle in Laudenbach unisono, sei aber nicht nur ein Tag des Erinnerns und des Mahnens, sondern insbesondere auch ein Tag der Versöhnung und der Verständigung. Damit richteten die Bürgermeister ihren Blick nicht nur in die Vergangenheit des 1922 ins Leben gerufenen Volkstrauertags. Damals, berichteten sie, habe der Tag vor allem den Toten des Ersten Weltkriegs gegolten. Der damalige Reichstagspräsident Paul Löbe habe bereits vor fast 100 Jahren in Berlin zum Abkehr vom Hass aufgerufen.
Dass Gewalt und Töten heute für die deutsche Bevölkerung sehr weit weg seien, sei ein Trugschluss. Auch heute sind wir alle mittelbar oder unmittelbar davon betroffen“, erinnerte Benjamin Köpfle. Der Krieg finde heute nicht mehr nur auf fernen Schlachtfeldern, sondern auch in abgewandelter Form direkt vor der Haustür in den Straßen, in der U-Bahn oder auf dem Marktplatz statt.
In Laudenbach erinnerte Köpfle nicht nur an den zehn Jahre andauernden, geografisch nahen Jugoslawienkrieg. Nach der langen Zeit des Kalten Kriegs seien es die Terroranschläge in New York am 11. September 2001 gewesen, die in die Geschichte eingingen. „Danach folgten zahlreiche Terroranschläge. Mit dem Terror ist die Gewalt ganz nah in unseren Lebensalltag gekommen“, so Köpfle. Auch der seit 2011 andauernde Bürgerkrieg in Syrien, Konflikte in Afrika oder der endlos erscheinende Nahostkonflikt beträfen alle. Auch das Vorgehen diktatorischer Staaten gegen Bürger, die sich der dortigen Politik widersetzen, sei eine Art von Krieg. „Genannt Seien hier die Verfolgung von Dissidenten oder Journalisten in China, Russland, der Türkei und Belarus.“ Für die evangelische Kirchengemeinde ergriff Pfarrerin Birgit Risch das Wort. Sie erinnerte an Rassismus und Antisemitismus, der täglich auch in Deutschland stattfinde. Hetzbriefe an Moscheen und Angriffe auf jüdische Bürger würden zeigen, wie wichtig der Volkstrauertag auch heute für die Gesellschaft sei. Denn der Kampf gegen Gewalt sei letztlich auch ein Kampf für die Demokratie. „Das bekommen wir nicht geschenkt, daran zu arbeiten ist unser aller Aufgabe“, unterstrich Jürgen Kirchner. Das Ziel, so Benjamin Köpfle, könne letztlich nur Freiheit für alle lauten. ksm
Bürgermeister Jürgen Kirchner erinnerte beim Volkstrauertag auf dem Friedhof daran, dass der Kampf gegen Gewalt letztlich auch ein Kampf für die Demokratie sei. BILD: ERNST LOTZ
Bürgermeister Benjamin Köpfle und seine Stellvertreterin Eva Schüßler legten an der Gedenkstätte einen Kranz zur Erinnerung an die Toten nieder. BILD: GEMEINDE LAUDENBACH