März 2023 (Weinheimer Nachrichten) „Cantus Vivus“ vollführt bei zwei Konzerten einen musikalischen Spagat zwischen Liedern einer Celtic Suite und dem „Circlesong“ von Bob Chilcott
Weinheim. Kein Stern strahlt und keine Sonne scheint in der Dunkelheit, singen tiefe Männerstimmen am Anfang und auch am Ende des „Circlesongs“. Ihr Gesang wird verstärkt von tiefen Trommeln. Der helle Ton einer Röhrenglocke zum „We shall live again“ macht schließlich Hoffnung auf Wiedergeburt.
Voller Klangfarben steckt der 13-teilige Zyklus, den Bob Chilcott 2003 komponierte und der dem Konzertchor „Cantus Vivus“ am Wochenende bei zwei Konzerten minutenlangen Applaus bescherte. Zu Beginn zehn traditionelle englische, schottische, walisische und irische Lieder, dann als Hauptwerk der auf Grundlage indigener Texte komponierte „Circlesong“ und dazwischen eine Elegie für zwei Klaviere von Francis Poulenc: Der musikalische Leiter Wolfram Schmidt bot mit dem Chor in der Weinheimer Peterskirche und in der Heppenheimer Christuskirche
zusammen mit dem Schlagzeug-Ensemble von Ulrich Dürr und drei Gesangssolistinnen ein ungewöhnliches Kontrastprogramm. Dass der thematische und gesangliche Spagat inspirierte und die Akteure beide Male am Ende minutenlang von stehend applaudierenden Besuchern gefeiert wurden, lag vor allem an der Vielfalt der Rhythmen und Klangfarben des besungenen Lebenskreises, den Bob Chilcott zu überlieferten Texten aus Nordamerika komponierte. Einem gemischten Chor bietet das Werk nicht nur die Gelegenheit, sich in vitaler Mehrstimmigkeit zu präsentieren, sondern auch gesanglich unterschiedlichste Stimmungen auszudrücken. Schließlich zeichnete „Cantus Vivus“ zusammen mit der Percussion-Gruppe, den Pianisten Peer Findeisen und Matthias Hartmann sowie den Gesangssolistinnen Viola Elges und Uta Löffler-Raque den Lebenszyklus von der Geburt über Kindheit, die Liebe, das Erwachsensein und das mittlere Alter bis zum hohen Alter und Tod nach.
Mit Leidenschaft dirigiert
Wolfram Schmidt dirigierte mit der für ihn bekannten Leidenschaft und Präzision sowie enormer Anschubkraft und Präsenz bei diffizileren Liedpassagen. Zudem präsentierte der Dirigent die bemerkenswert begabte Nachwuchssängerin Elis Polat als dritte Solistin. Die Fünftklässlerin ist Schülerin am Dietrich-Banhoeffer- Gymnasium in Weinheim und erhielt für ihr Solo beim „Child’s Song“ in der Peterskirche einen besonders kräftigen Schlussapplaus. Wenn sich auch die „Celtic Suite“ mit ihren „Folk-Hitparaden-Hits“ wie „Greensleeves“ oder „Londonderry Air“ thematisch vom „Circlesong“ unterschied, so einte die Konzerteröffnung und das Hauptwerk der von schönen Melodien geprägte Kompositionsstil.
Kraftvolle Rhythmik
Der mit gut 50 Sängerinnen und Sängern bestückte Konzertchor – ein Drittel von ihnen bilden die Männerstimmen – zeigte sich in „Botany Bay2 rhythmisch kraftvoll, steuerte konzentriert und sich mehrstimmig auffächernd durch das betont langsam dargebotene „Scarborough Fair“ und ließ bei „Riverdance“ am Ende Zwischenbeifall aufbranden.
Francois Poulencs Elegie für zwei Klaviere ließ die beiden Pianisten zu Gehör kommen, ehe sich alle Beteiligten gemeinsam den Klangräumen eines Menschenlebens widmeten.
Die vom Einklang mit der Natur geprägten Texte führen auf wesentliche Gesetze und Lebensansichten zurück, die in der westlichen Welt oftmals in den Hintergrund getreten sind. In einem Pueblo-Text gab der Chor a-cappella dem Neugeborenen gute Gedanken mit auf den Lebensweg, präsentierte er im Sioux-Stück „Give me strength“ prachtvoll Mehrstimmigkeit und ließ im Inuit-Stil im „Summer Song“ Lebensenergie fließen. Wie ein Gebet hörte sich „O Great Spirit“ an.
Es fordert nach Worten der Dakota dazu auf, nicht größer als der Nächste sein zu wollen und den Feind in sich selbst zu bekämpfen. „Cantus Vivus“ und seine musikalischen Mitstreiter haben eine friedliche Botschaft verbreitet und mit Liedern zum Lebenszyklus den Kreis eigener Konzerte erweitert. dra